Aus der Komfortzone in Japan

Was ihr in Japan beachten solltet: Aus der Komfortzone, bitte!

Ja, ich meine es ernst. Begebt euch doch einfach einmal aus eurer Komfortzone — zumindest wenn ihr in Japan seid;) Dann werdet ihr sehen, was alles Unerwartetes passieren kann. Ich selbst habe diesen Grundsatz beachtet, als ich ein Jahr als Austauschstudent in Tokyo war. Während dieser Zeit habe ich dadurch viele Menschen kennengelernt und fast jeden Tag etwas Cooles erlebt.

Wenn man einen Austausch macht oder einfach so in Japan unterwegs ist, sollte man jede Gelegenheit nutzen, um neue Erfahrungen zu sammeln. Dies bedeutet auch, dass man Dinge tut, die man in seinem Heimatland niemals tun oder sich niemals trauen würde. Manche sind unter euch vielleicht etwas schüchtern, aber das ist keine Ausrede, da das auch auf mich zutraf und ich es trotzdem geschafft habe.

1. Was heißt das konkret?

1.1 Fremde Leute ansprechen

Ein gutes Beispiel für den Sprung aus der Komfortzone ist es, fremde Leute in Japan anzusprechen. Egal, ob man auf schüchterne japanische Studenten, Sightseeing machende Omas und Opas, auf Besucher wartende Museumsguides, Glücksbringer verkaufende Schreinjungfern oder wenig zu tun habende Friedhofsmitarbeiter trifft, man sollte auf keinen Fall davor Angst haben, diese Personen anzusprechen. Der beste Weg ist es, einfach etwas zu fragen. Durch einfache Fragen kam es bei mir schon zu einigen interessanten Gesprächen.

Es müssen folglich keine komplizierten Fragen wie „Was ist der Sinn des Lebens?“ sein. Hauptsache man fragt oder sagt etwas. Nach dem ersten Wort ist es möglich, dass man nicht nur miteinander Smalltalk führt und sich nach fünf Minuten verabschiedet, sondern auch lange Freundschaften enstehen. Dafür ist ein einfaches „Wo ist der Schrein?“ oder „Konnichiwa!“ schon ausreichend. Denkt am besten nicht zu kompliziert und zu viel nach, wenn ihr mal über euren Schatten springen wollt.

Ich habe mit allen gerade genannten und noch vielen anderen Personen gesprochen und deshalb nicht nur die erste Motorradfahrt meines Lebens — und dazu noch mit einem Fremden über die Tokyoter Rainbow Bridge — erlebt, sondern auch gemütliche Nachmittage mit japanischen Omas und Opas verbracht, die mich durch ihre Viertel geführt haben. Auch meine ersten japanischen Bekanntschaften an der Uni sind durch einfache Wörter oder Fragen entstanden. Sag „Konnichiwa, ich bin X und komme aus X.“ zu deinem unbekannten Sitznachbarn oder frag ihn etwas über die japanische Sprache wegen deiner Hausaufgaben und schon besteht die Chance auf eine neue Bekanntschaft. Klingt einfach, oder? Ist es auch!

1.2 Unbekanntes und Ungewohntes

Das gleich gilt für den Beitritt in Studenten-Clubs an der Uni oder für die Möglichkeit, coole Orte zu besuchen. Es ist viel besser, wenn man zehn Clubs oder zehn Sightseeing-Orte ausprobiert hat und nachher sagen kann, dass jeweils neun von ihnen keinen Spaß gemacht haben, als dass man in einem Jahr keinen Club ausprobiert oder keine interessanten Orte entdeckt hat.

Ich habe übrigens fünf Clubs in meinem Auslandsjahr ausprobiert und manche davon dann nach ein paar Besuchen sofort wieder verlassen. Aber ausprobieren kostet auch in Japan nichts. Der Beitritt in Clubs ist hierbei nur ein Beispiel und kann allgemein als das Treffen mit neuen Leuten und ausprobieren von neuen Dingen gesehen werden. Denkt bitte stets daran, dass Zeit euer wertvollstes Gut in Japan ist — gerade während eines zeitlich begrenzten Auslandsaufenthalts — und ihr deshalb eure Zeit nicht mit Dingen „verschwenden“ solltet, die ihr auch zuhause oder immer machen könnt. Das ist jedenfalls meine Meinung.

2. Sind Japaner nicht schüchtern?

Ihr kennt bestimmt das Vorurteil, dass alle Japaner schüchtern sind, oder? Ich denke, dass ich nach einem Jahr in Japan sagen kann, dass dies nur zum Teil stimmt. Es gibt in jedem Land introvertierte und extrovertierte Menschen und Japan ist keine Ausnahme. Der Unterschied zu vielen anderen Ländern ist vielleicht, das es viele Japaner gibt, die sehr höflich zu ihren Mitmenschen sind oder auch etwas ängstlich im Umgang mit Ausländern sind, aber das trifft auf keinen Fall auf alle zu.

2.1 Ältere Japaner

Mir ist aufgefallen, dass ältere Japaner sich oft freuen, wenn man sie anspricht. Oft sprechen sie einen auch selbst an, wenn sie merken, dass man etwas Japanisch sprechen kann oder sich mit ihrer Kultur auskennt. Und wenn man Glück hat, zeigen sie dir dann umsonst die Geheimnisse in ihrer Nachbarschaft. Das ist mir zumindest zweimal passiert. Auf diese Weise habe ich zum Beispiel das Grab eines „berühmten“ Japaners gefunden, der etwas mit der Verbreitung der Süßkartoffel im ganzen Land zu tun hatte. Cool, oder?

2.2 Jüngere Japaner

Auch jüngere Japaner sind durchaus offen, wenn man sie anspricht und helfen gern, aber hier gilt es wie so oft im Leben, dass man der Erste sein muss, der etwas sagt. Das ist in Deutschland genauso, denke ich. In Japan sollte man, um japanische Freunde zu finden, zwei Dinge besitzen: etwas Mut, um den ersten Schritt zu gehen, und etwas Japanisch, wenn der Gegenüber nicht Englisch sprechen möchte oder kann.

In meinem Fall konnten meine besten japanische Freunde aber gut Englisch sprechen, was die Kommunikation besonders am Anfang vereinfacht hat. Aber nicht nur Japaner, sondern auch nicht-japanische Freunde findet man leicht im Ausland, wenn man sie einfach anspricht. Denn jeder möchte gerne Leute aus anderen Ländern kennenlernen und Freunde in einem Land finden, in dem man anfangs noch keine oder nur sehr wenige hat.

3. Woher kommt die Motivation?

Ich könnte noch stundenlang weiter über das Thema schreiben, aber die Botschaft ist bestimmt jetzt angekommen. Zum Schluss noch einen Motivationsbooster. Dafür eignen sich am besten Negativbeispiele. In anderen Worten, Personen, die sich in Japan während ihres Aufenthaltes nicht aus ihrer Komfortzone getraut oder ihre Zeit meiner Meinung nach nicht gut genutzt haben.

3.1 Mein Nachbar, der Zocker

Da fällt mir als erstes mein amerikanischer Nachbar im Wohnheim ein. Der saß nach der Uni oder auch an freien Tagen oft vor seinem extra aus den USA mitgebrachten Gamer-PC und hat Computerspiele mit seinen amerikanischen Freunden gespielt. Auf meine regelmäßigen Einladungen zum gemeinsamen Sightseeing, kam dann ein schlichtes „Ne, keine Zeit.“ und es wurde weitergezockt. So viel dazu, dass man Dinge machen sollte, die man nicht auch immer und überall machen kann.

3.2 Japanische Freunde?!? Wirklich?

Auch habe ich im Vergleich zu vielen von meinen nicht-japanischen Freunden relativ viel Kontakt mit Japanern während meines Austausches gehabt. Der Grund dafür ist klar: Weil ich in vielen Studenten-Clubs war und durch Ansprechen viele Japaner kennengelernt habe. Nutzt die Chance im Ausland, Freunde aus vielen Ländern — egal, ob aus Japan oder dem Rest der Welt — zu machen.

Ich hörte von vielen ausländischen Freunden oft den Satz „Es ist schwer, Japaner als Freunde zu bekommen.“. Das stimmt zwar teilweise, aber ich denke, dass es in jedem Land schwer ist, neue Freunde zu finden. Besonders, wenn man nur ein Jahr oder weniger Zeit hat. Mit Freunden meine ich hier Personen, mit denen man auch, wenn man längere Zeit getrennt ist, immer noch im gegenseitigen Kontakt bleibt.

Falls das Finden von japanischen Freunden trotz erfolgter Anstrengungen doch nicht so gut geklappt hat, kann man nachher immerhin sagen, dass man sich zumindest bemüht hat. Immer noch besser, als nichts zu versuchen und den Japanern die Schuld dafür geben, dass sie nur wenig mit einem zu tun haben wollten. Man wird in der Regel aber belohnt, wenn man einfach nicht aufgibt und alles Mögliche ausprobiert. So war das jedenfalls bei mir.

3.3 Kostenlos! Na, und?

Das letzte Beispiel handelt von einer kostenlosen 2-tägigen Reise zu mehr als 40 Reisezielen in Japan. Die Reise wurde von der japanischen Tourismusbehörde gesponsort und meine Uni hat dafür Werbung gemacht. Man musste sich kurz intern bei seiner Uni bewerben und mit etwas Glück, wurde man als einer von drei Austauschstudenten an seiner Uni ausgewählt und konnte teilnehmen. In anderen Worten: eine Stunde Arbeit gegen zwei coole Reisetage mit persönlichen Reiseleitern, Vollverpflegung und Erfahrungen, die man nicht machen kann, wenn man privat unterwegs ist.

Der einzige Haken war, dass man nach der Reise einen Vortrag über seine gesammelten Eindrücke halten musste. Aber das wäre ja auch eine neue Erfahrung gewesen, oder nicht? Schließlich haben sich von allen Austauschstudenten an meiner Uni — mehr als Hundert — nur drei Leute beworben. Einer davon war ich. Das hat mich schon etwas schockiert. Warum hatte kaum einer Interesse an so einer Reise? Vielleicht wegen der Angst vor neuen Erfahrungen, dem Unbekannten? Immerhin gut für die drei Studenten, die aufgrund der Motivationslosigkeit der potentiellen Konkurrenten ohne Probleme eine unvergesslichen Trip spendiert bekommen haben.

4. Also, fangt an!

Dieser Beitrag war mir sehr wichtig, da ich dieses „Mutigsein“ in Japan stark beherzigt und trainiert habe. Schon vor der Abreise nach Japan habe ich mir das Probieren von neuen Dingen vorgenommen. Doch auch während der Eröffnungsrede an der japanischen Uni sagte ein Professor, wie wichtig es sei, in der Fremde etwas Neues zu versuchen und aus der Komfortzone auszubrechen. Das bedeutet auch, dass ihr euch im Ausland ganz neue erfinden könnt, weil euch dort noch niemand kennt.

Ihr habt die Möglichkeit, eine ganz andere Person zu sein oder Dinge ganz anders als in eurer Heimat zu machen. Es lohnt sich, vieles auszuprobieren und das beste aus eurer Zeit rauszuholen. So eine Gelegenheit bekommt man meistens nur einmal im Leben. Weshalb man darauf achten sollte, dass man nachher, ohne Angst etwas verpasst zu haben, wieder nach Hause zurückkehren kann. Das war mir sehr wichtig und ich habe es geschafft, denke ich.

Durch meinen einjährigen Aufenthalt in Japan habe ich sehr viel über Japan, mich und den Rest der Welt gelernt und bin überzeugt davon, dass jeder, das gleich erleben kann. Ich würde gerne in den nächsten Beiträgen noch mehr über meine Erfahrungen berichten und euch weitere Tipps geben, damit ihr in Japan viel erleben und lernen könnt. Falls ihr Fragen, Kritik oder sonstige Anmerkungen habt, hinterlasst bitte einen Kommentar. Vielen Dank fürs Lesen und bis zum nächsten Artikel!

4 Antworten auf “Was ihr in Japan beachten solltet: Aus der Komfortzone, bitte!”

  1. Vielen Dank für diesen erhellenden und motivierenden Artikel! Du weißt echt, wie man die Motivationsspritze appliziert. Ich werde auch bald ein Auslandssemester in Japan antreten und versuchen deine Ratschläge umzusetzen, um meine Zeit bestmöglich zu nutzen. Ich würde mir einen Artikel über deinen ersten Tag oder die ersten Tage in Japan wünschen, um einen Einblick zu bekommen, was bald auf mich zukommt 😉 Weiter so!

    1. Danke für deinen motivierenden Kommentar! Freut mich, wenn dieser Artikel anderen etwas helfen kann 🙂 Du wirst bestimmt eine tolle Zeit mit vielen unvergesslichen Momenten in Japan haben! Deine Idee finde ich auch sehr gut. Wenn es zeitlich passt, schreibe ich einmal über die erste Zeit meines Austausches:D

  2. Hallo,
    da ich ja leider „nur“ Urlaub in Japan gemacht habe ( und hoffentlich nächstes Jahr wieder machen werde ) ist das mit dem Freunde finden wohl eher nix :-), auch das sprechen und verstehen ist eher schwer, obwohl ich mich bemühe zumindest ein bissel was zu lernen, allein schon weil ich auch gerne mal etwas abseits des Touristenstroms unterwegs sein möchte.
    Deswegen ( und wegen der kosten ) habe ich immer Ferienwohnungen ( meistens 6 Tatami Wohnungen ) genommen und kein Hotel. Aber deiner Empfehlung auf die Leute zu zugehen kann ich nur unterstützen, vom aussehen her bin ich wohl eher abschreckend :-), so das mich kaum jemand angesprochen hat, aber wenn ich Leute angesprochen habe, wurde mir immer sehr höflich geholfen, dazu zwei kleine Tipps, am besten eine Gruppe ansprechen, dann schmeissen sie die gesammelten Englischkenntnisse zusammen und sind weniger nervös ( zumindest hatte ich das Gefühl ), und zumindest ein Wort sollte man kennen , Summimasen , heist in etwa Entschuldigung, Entschuldigen sie bitte oder ähnlich, und kann immer benutzt werden wenn man etwas möchte, nach dem Weg fragen, sich im Zug vorbeiquetschen usw. sehr hilfreich.

    1. Hallo Mike,

      danke für deinen Kommentar. Wenn man Japaner näher kennenlernen möchte, besonders auch ältere, dann ist es schon von Vorteil, wenn man etwas Japanisch spricht, da nicht alle Japaner Englisch sprechen können oder wollen (wie in vielen anderen nicht-englischsprachigen Ländern auch). Sie können Englisch oft etwas verstehen, aber sprechen möchten viele nicht unbedingt.

      Japaner sprechen auch selten unbekannte Leute an, so ähnlich wie in Deutschland — da ist es egal, ob man Ausländer oder Japaner ist. Aber wenn Japaner merken, dass man Hilfe benötigt, z. B. wenn man den Weg nicht weiß und planlos auf eine Karte guckt, dann wird man durchaus auch von allein angesprochen und Hilfe angeboten. Bei mir war das zumindest öfters der Fall.

      Man sollte einfach offen durch das Land gehen, auch abseits der Sightseeing Spots, dann begegnet man meist automatisch netten Leuten. „Sumimasen“ ist dabei auf jeden Fall eines der wichtigsten japanischen Wörter, da man es, wie du bereits gesagt hast, in allen möglichen Lebenslagen anwenden kann ;D

      Viele Grüße

      Flo

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