Kriminalität in Japan

Kriminalität in Japan – meine Erfahrungen

Wie sicher ist Japan? Laut dem deutschen Auswärtigen Amt ist die Kriminalitätsrate in Japan niedrig und auch die japanische National Police Agency berichtete, dass die Anzahl der Straftaten 2019 zum 17. Mal in Folge gesunken ist. Natürlich gibt es auch in Japan Kriminalität, z. B. Betrug oder Mord (ca. 0,2 jährliche Morde pro 100.000 Einwohner), doch Verbrechen passieren leider überall und in Japan dann relativ zur Einwohnerzahl sehr selten.

Als Gründe für den ständigen Rückgang an Straftaten in Japan kann man die sich jährlich verbessernde Kriminalprävention durch lokale Verwaltungen und Freiwillige, z. B. in Form von Bürger-Patrouillen, sowie mehr Sicherheitskameras nennen. Besonders Diebstähle werden so verhindert. Doch schon allein der Umstand, dass die japanische Bevölkerung immer älter wird, verringert jährlich die Anzahl. Denn es gibt statistisch gesehen einfach nicht so viele über 80-jährige Verbrecher wie unter 30-jährige Ganoven.

Kriminalität in Japan
Immer mehr Kameras werden in Japan zur Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt.

Faktisch ist Japan somit sicher, was ich ebenfalls aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Ich habe mich eigentlich nie unsicher gefühlt. Auch nachts sind noch viele Menschen in den Großstädten unterwegs. Man ist praktisch nie allein. Einmal verpasste ich um 23:30 Uhr den letzten Zug (shūden, 終電) in Tokyo zu meinem Wohnheim. Daher musste ich um Mitternacht noch eine halbe Stunde im Dunkeln neben den Gleisen nach Hause laufen. Doch ständig mit unbekannten Begleitern umgeben, die ebenfalls den letzten Zug verpasst hatten, fühlte ich mich durchaus sicher. Ich hatte nur einmal großen Respekt vor der Dunkelheit, als ich eines Nachts komplett allein — und leicht planlos — durch Tokyo gelaufen bin und wirklich keine andere Menschenseele auf der Straße war ^^“

Passend zum gerade vergangenen Halloween möchte ich nun von ein paar unangenehmen „Grusel-Erlebnissen“ während meines Austauschjahres in Japan berichten, die mich kurzzeitig an der berühmten japanischen Sicherheit zweifeln ließen.

1. Die verschwundene Jacke

Kommen wir zum ersten Vorfall, der zu Beginn meines Aufenthalts direkt nach der Ankunft am Flughafen Haneda in Tokyo passierte. Ich legte im Flughafen aufgrund der brütenden Septemberhitze meine Sweatshirt-Jacke über meinen gerade vom Kofferband geholten Rollkoffer, ging zum „Ausländer-Check-In“ und als ich später in der Flughafenhalle wieder auf den Koffer blickte, fiel mir auf, dass meine Jacke weg war. Ihr denkt jetzt bestimmt: „Du Trottel! Die ist dir auf dem Weg zur Halle vom Koffer gerutscht!“ Das dachte ich natürlich auch und lief so weit wie möglich zurück.

Ich suchte alles ab und informierte die Flughafenmitarbeiter über meinen Verlust. Sie halfen tatkräftig mit, doch die Jacke blieb verschollen. Keine Stunde in Japan und schon etwas verloren — ein super Start. Doch ich konnte nicht ewig auf dem Boden schauend hin und her laufen, da ich zu meinem Hotel in Kawasaki musste. Ich gab fürs Erste auf und rief ein paar Tage später am Flughafen im Fundbüro an, aber es wurde immer noch nichts gefunden.

Ich bekam meine Jacke nicht zurück. Wurde sie vielleicht von meinem Koffer gestohlen? Sonst wäre sie doch bestimmt wieder aufgetaucht, oder? Ein Diebstahl schien mir die einfachste Erklärung zu sein, aber die genauen Umstände werden wohl für immer im Verborgenen bleiben. Vielleicht sehe ich sie irgendwann bei einem zwielichtig aussehenden Typen am Flughafen Haneda wieder. Wer weiß?

2. Der „What is your Mission?“-Mann

Die zweite Episode ereignete sich, als ich mit einer japanischen Freundin nach einem Cafébesuch auf dem Rückweg zur Bahnstation war. Wir gingen gemütlich den Bürgersteig entlang, doch plötzlich schloss ein Japaner zu uns auf und lief neben uns her. Er fing an, auf Englisch zu sprechen:

„What is your mission?“

„What did you say?“

„What is your mission here in Japan?“

„What? I have no mission.“

„Why are you in Japan and not in your country? What is your country?“

„I am an exchange student from Germany and study here.“

„Why are you not in your country and supporting your country? What is your mission?“

Er wollte nicht aufhören von einer „Mission“ zu sprechen und laberte wirres Zeug. War er ein Rechter oder nur verrückt oder beides? Ich sagte „Please let us alone. We do not want to talk to you“ und wir beschleunigten unsere Schritte. Er schien uns nach ein paar Metern nicht mehr zu verfolgen. Dann kam eine rote Ampel und wir mussten warten — wie immer, wenn man es eilig hat. Hoffentlich ist er weg, dachte ich nervös. Ich traute mich nicht, mich umzudrehen.

Endlich grün! Wir gingen über die Straße. Kurze Zeit später tauchte der Typ aber wieder neben mir auf. Es ging weiter:

„What is your mission?“

„I have no mission. Please let us alone.“

„Hey, are you Japanese? Why are you with a foreigner?“

Jetzt fing er auch noch an, meine Freundin anzupöbeln.

„We do not want to talk to you. Please go!“

In dieser mehr als unangenehmen Situation versuchte ich, so ruhig wie möglich zu bleiben und diesen Typen auf keinen Fall zu provozieren. Wer weiß, was er in seinen Taschen hatte? In Japan sind Pistolen zwar kaum existent, aber Verrückte können immer noch Messer ziehen. Leider sah ich weder einen Polizisten noch eine kleine Polizeistation (kōban, 交番) in der Nähe, sonst hätte man Hilfe holen können.

Nachdem er uns weiterhin mit Schwachsinn genervt — ich kann mich heute nicht mehr an alles wirre Zeug erinnern — und angefangen hatte, meine Freundin zu beleidigen, kam der Bahnhof in Sicht. Das war unsere Chance: Wir erhöhten schweigend noch einmal unser Tempo und steuerten auf die Zugangssperren (kaisatsu, 改札) zu. Nur noch ein paar Meter. Bevor wir durch die Sperre liefen, drehten wir uns zur Sicherheit noch einmal um… er war verschwunden.

Wir rasterten mit unseren Augen die Gegend ab, aber wir konnten ihn im Gewimmel um den Bahnhof nicht mehr finden. „Lass uns schnell weg von hier“, sagte ich zu meiner Begleiterin. Sie nickte und wir gingen in den Bahnhof. Ob er uns noch vom weiten aus beobachtete, uns heimlich verfolgte oder tatsächlich verschwunden war, wussten wir beide natürlich nicht. Daher war ich erleichtert, als wir endlich im Zug waren.

Auf dem Weg zum Wohnheim schaute ich mich öfters um, weil ich befürchtete, dass der „What is your Mission“-Mann wieder auftauchte. Das war glücklicherweise nicht der Fall und ich sah ihn bis heute nie wieder. Ob er weiterhin Ausländern nach ihrer Mission fragt, ist mir leider auch nicht bekannt. Mission Ende.

3. Crime-Hochburg Tsunashima?

Japan scheint sicher zu sein, aber es gab eine Zeit in meinem Wohnheim in Tsunashima, während der sich viele diesbezüglich nicht mehr so sicher waren. Denn im Wohnheim hing eines Tages plötzlich ein offizieller Aushang, der uns empfahl, früh nach Hause zu kommen und nicht mehr allein nach Einbruch der Dunkelheit herumzulaufen. War etwas passiert, fragten sich einige.

Ich hörte Gerüchte, dass sich in der Gegend abends komische Leute herumgetrieben und Frauen angesprochen hatten. Auch sagten Bekannte, dass entlang des Kanals neben meinem Wohnheim schon öfters Verbrechen passiert waren und sogar Leichen gefunden wurden. Mir wurde berichtet, dass Kanagawa — sowie insbesondere entlang eines bestimmten Kanals in der Nähe meines Wohnheims — eine der kriminellsten Gebiete in ganz Japan war. Ob das alles wirklich stimmte und wenn ja, wie viele Jahre die Verbrechen schon her waren, wusste aber keiner so genau. Aber eins wurde mir klar: auch in Japan passierten anscheinend schwerere Verbrechen.

In den News im Fernsehen wurde parallel von einem Japaner aus Yokohama, Kanagawa, berichtet, der Chinesinnen ermordet und ihre zerteilten Körper in Koffer gesteckt haben sollte. Diese Koffer wurden nun gefunden. Sowas Unvorstellbares hatte man lange nicht mehr gehört und dann auch noch zu dieser Zeit. Der Aushang, die Gerüchte und die aktuelle Berichterstattung führten dazu, dass man wachsamer wurde und abends lieber etwas früher als vorher nach Hause kam.

Irgendwann war der Aushang aber verschwunden und die Lage schien sich beruhigt zu haben. Was genau der Grund für die Warnung war, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht waren es nur ein paar Jugendliche, die auf die Idee gekommen waren, Leute auf der Straße anzupöbeln. Vielleicht gab es die Jugendlichen gar nicht. Oder steckte mehr dahinter, z. B. ein flüchtiger Verbrecher, der gesucht und schließlich geschnappt wurde — ich weiß es nicht. Jedenfalls galt das Sprichwort: aus den Augen, aus dem Sinn 😉

4. Der blaue Schirm

Die nächste Story spielt in Yokohama. Ich habe mich an diesem Tag wieder einmal mit einer japanischen Bekannten in einem Café getroffen und dafür extra einen Rucksack mitgenommen, um ihr meinen Reiseführer über Tokyo und meine große Sammlung von Kalligraphien von Tempeln und Schreinen zu präsentieren.

Nach Kaffee und Kuchen fuhr ich zurück zum Hauptbahnhof Yokohama, um dort nach Tsunashima umzusteigen. Der gerade getrunkene Kaffee machte sich jedoch bemerkbar, weshalb ich die Bahnhofstoilette aufsuchen musste. In Japan kosten Toiletten in Bahnhöfen nichts und sind trotzdem in der Regel sauber. Daher kann man sie guten Gewissens aufsuchen. Leider gab es im Toilettenraum nur noch eine freie traditionelle Hock-Toilette — im Prinzip ein Loch auf dem Boden — und keine westlichen Toiletten mehr. Doch ich konnte nicht mehr warten und ging in die Kabine.

Nachdem ich fertig war, trat ich nach draußen und wollte zum Gleis laufen. Auf dem Weg dahin bemerkte ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Nach kurzer Zeit fiel mir auf, dass ich meinen Rucksack nicht mehr auf dem Rücken hatte. Daher war es so leicht… Wo hatte ich ihn bloß gelassen?

Ost-Ausgang am Hauptbahnhof Yokohama.

Leicht panisch versuchte ich, mich zu erinnern. Ganz ruhig. Wo habe ich ihn zuletzt gesehen? Ich war im Café. Da hatte ich ihn noch und fuhr dann ein paar Stationen zum Hauptbahnhof. Dann ging ich auf die Toilette. Hatte ich ihn noch auf der Toilette? Ich war mir nicht sicher. Habe ich ihn vielleicht im Café vergessen? Er lag auf jeden Fall unter dem Tisch während des Treffens. Ich war mir sicher, ihn dort zu finden, und rannte zum Zug, der mich zurück zum Café bringen würde.

Nach ungefähr zehn Minuten schweißtreibender Bahnfahrt und einem kurzen Sprint erreichte ich das Café. Ich fragte sofort den Mitarbeiter am Tresen, ob gerade ein Rucksack gefunden wurde. Er verneinte zu meiner Enttäuschung, aber so leicht gab ich nicht auf. Ich lief zum Tisch, wo ich vor einer knappen halben Stunde noch gesessen hatte. Leider war auch unter, neben und auf dem Tisch nichts von meinem Rucksack zu sehen. Er musste woanders sein — oder geklaut.

Ich bedankte mich und überlegte, wo er noch sein könnte. Dann durchzuckte mich ein Geistesblitz wie ich ihn nur aus dem Krimi-Anime Detective Conan kannte: mein Rucksack muss noch in der Toilette sein! Ich hatte ihn ja an den Haken neben dem Loch/der Toilette aufgehängt, um ihn nicht auf den Kabinenboden stellen zu müssen.

Ich rannte zur lokalen Bahnstation Sakuragichō, fuhr wieder zurück zum Hauptbahnhof und spurtete weiter zur Toilette. Wo war ich denn gerade gewesen? In dieser Kabine? Oder in dieser? Nein, in dieser hier, war ich mir sicher. Die Kabine war glücklicherweise frei und ich ging hastig hinein. Aber an dem Haken hing nichts mehr. Ich suchte — auch wenn es total bescheuert war — jede Ecke der rechteckigen Kabine ab, aber das einzige, was ich fand war mein kleiner blauer Schirm, den ich in die Seitentasche meines Rucksacks gesteckt hatte.

Hä? Warum liegt nur mein Schirm auf dem Boden und nichts anderes? Mir wurde sofort klar, dass das nicht normal sein konnte. Denn, wer einen Rucksack findet, würde nicht den Schirm rausnehmen, um ihn zum Fundbüro im Bahnhof zu bringen. Warum nur der Schirm? Oder ist der einfach nur rausgefallen? Ich befürchtete, dass das nicht die Erklärung dafür war, aber ich ging zum Fundbüro, um nachzufragen, ob ein Rucksack gefunden wurde. Wie erwartet, war kein Rucksack abgegeben worden.

Leichte Trauer stieg in mir hoch, da mein Kalligraphie-Buch sich im Rucksack befunden hatte. Die Kalligraphien werden goshuin (御朱印) genannt und können an Tempeln und Schreinen für jeweils 300 Yen erworben werden. Sie dienten für mich hauptsächlich zur Erinnerung an meine Reisen und Erkundungen in Japan. Da mein volles Buch um die 50 Kalligraphien enthielt, hatte es aber auch einen materiellen Wert von über 100 Euro, wobei das für mich nicht so sehr ins Gewicht fiel.

Ich bekam eine Telefonnummer vom Fundbüro und sollte am nächsten Tag noch einmal anrufen. Enttäuscht fuhr ich allein zu meinem Wohnheim zurück. Ich berichtete meinem japanischen Freund Kenji von dem Vorfall. Er war sehr erstaunt, dass nichts abgegeben wurde, aber gleichzeitig war er sich sicher, dass ich alles zurückbekommen würde. „Das ist schließlich Japan“, sagte er. Ich wollte ihm glauben, aber irgendwie war mir bewusst, dass dies nicht sehr wahrscheinlich war. Ich starrte auf meinen blauen Schirm.

Zur Sicherheit gingen Kenji und ich noch zu einer Nahe gelegenen Mini-Polizeistation, um den Vorfall zu melden. Vielleicht wurde mein Rucksack nicht ins Fundbüro gebracht, aber in einen Mülleimer im oder um den Hauptbahnhof geworfen. Im Rucksack war eigentlich nichts, was von Wert für einen Dieb wäre. Es gab keinen Laptop, kein Handy, kein Portemonnaie und auch keine Kamera, sondern nur ein paar japanische Lehrbücher, einen Reiseführer und das Kalligraphie-Buch. Dennoch konnte man nicht ausschließen, dass jemand ihn fand, mitnahm, reinguckte und dann wegwarf.

Am nächsten Tag riefen wir beim Fundbüro in Yokohama an. Es wurde immer noch nichts, was meinem Rucksack ähnelte, gefunden. Auch bei der Polizei fragten wir nach, aber hier gab es ebenfalls nichts Neues. Ein paar Tage später und eine Woche später riefen wir erneut an, aber immer noch nichts. Mein Rucksack und damit meine 50 Erinnerungen blieben verschwunden. Das Einzige, was mir blieb, war der Regenschirm, der aber in den folgenden Wochen kaputt gehen sollte.

Bis heute frage ich mich, wer meinen Rucksack geklaut hat. War es ein Japaner oder vielleicht Ausländer gewesen? Warum nahm der Dieb ihn überhaupt mit? Er hätte sich doch auch in der Abgeschiedenheit der geschlossenen Toilettenkabine in Ruhe den Inhalt ansehen und danach nur das herausnehmen können, was er brauchte. In meinem Fall wahrscheinlich nichts. Möglicherweise brauchte er aber auch nur den Rucksack und hat ihn deshalb komplett mitgenommen. Die anderen Sachen hat er dann später entsorgt. Aber warum nahm er überhaupt meinen Regenschirm aus der Außentasche? Den hätte er doch auch mitnehmen können. War es eine Botschaft an mich nach dem Motto: Ich habe deinen coolen Jack-Wolfskin-Rucksack, aber den 300 Yen-Schirm lasse ich dir als Erinnerung.

Immer wenn ich diese Geschichte (japanischen) Freunden erzähle, sind sie sprachlos und können nicht glauben, was mir passiert ist. „Bestimmt war es ein Ausländer. Japaner klauen doch nicht.“, kommt dann manchmal zurück. Keine Ahnung. Ich persönlich glaube, dass es ein Obdachloser war, der zufällig nach mir in der Toilettenkabine war. Obdachlose habe ich schon öfters im Hauptbahnhof Yokohama gesehen und können Rucksäcke zumindest gebrauchen.

Manchmal habe ich auch das Gefühl, den Täter gesehen zu haben, da ein Mann an mir vorbeilief, nachdem ich aus der Kabine gegangen war, um vielleicht in genau meine Kabine zu gehen. Möglicherweise war er es, der meinen Rucksack stahl. Aber natürlich blickte ich mich in diesem Moment nicht um, daher ist es nur eine Vermutung. Hier wird die Wahrheit wohl für immer im Hauptbahnhof bleiben. Mein Tipp: Vergesst auch in Japan besser keine Rucksäcke auf der Toilette!

5. Japan ist aber doch sicher, ne?

Nach diesen Gruselgeschichten möchte ich noch ein paar schöne Geschichten aus Japan erzählen, die zeigen, dass Japan nach wie vor ein unglaublich sicheres Land ist.

5.1 Des Beutels End?

Mein amerikanischer Freund Daniel vergaß einmal in der Bahn in Tokyo seinen Beutel auf der Ablage über den Sitzplätzen. Wir fuhren von der Uni gemeinsam zum Wohnheim und es war wie so oft sehr voll, weshalb wir stehen mussten. Daniel kam auf die Idee, seinen Beutel auf die Ablage zu packen, da wir eine halbe Stunde unterwegs sein würden. Keine schlechte Idee…

Wir unterhielten uns während der Fahrt und stiegen am Zielbahnhof aus. „Hey, wo ist mein Beutel“, fiel ihm plötzlich ein. Da waren wir schon am Bahnhofsausgang angelangt. Er hatte seinen Beutel auf der Ablage vergessen und mit ihm sein neues iPad und Smartphone. Wir gingen sofort zu einem Bahnhofsmitarbeiter und berichteten von seinem Verlust. Er war freundlich und informierte anderes Personal. Wir sollten nach Hause gehen und morgen noch einmal anrufen und fragen, ob der Beutel gefunden wurde. „Keine Sorge“, sagte er lächelnd.

Diese Nacht war für Daniel verständlicherweise alles anderes als sorgenfrei. Er machte sich Gedanken darüber, ob er wirklich alles wiederbekommen würde. Er brauchte seine Geräte ja nicht nur zum Spaß, sondern auch für das Studium und Leben in Japan. Nun war alles erst einmal weg. Er versuchte mithilfe seines Computers sein iPad zu orten, doch die Ortung funktionierte nicht, schien ausgeschaltet zu sein. Hatte der Dieb sie schon deaktiviert? Daniel wollte sich nicht beruhigen. Alle redeten auf ihn ein, um ihn aufzumuntern, und sagten, dass wir immer noch in Japan sind, dem Land, in dem man sein Portemonnaie oder Handy auf dem Bartresen liegen lassen kann, wenn man zur Toilette geht.

Am nächsten Tag rief er bei der Bahn an. Es wurde ein Beutel gefunden. Inhalt: iPad und Smartphone. Puh.

5.2 Rückgabe mit Finderlohn

Eine Austauschstudentin im Wohnheim hatte ihr Portemonnaie im Bahnhof Shinjuku verloren und später mit allen Karten wiedererhalten. Das Geld war weg — soweit ich weiß — , aber immerhin waren ihr Ausweis, ihre Bahnkarte, Kreditkarte und alles andere noch drin.

5.3 Die hängenden Portemonnaies von Tokyo

Wer durch Japan läuft, dem ist als Europäer bestimmt schon aufgefallen, dass viele Japaner ihre Portemonnaies oder auch Handys in ihre Gesäßtaschen stecken, egal wie groß diese sind. Auch wenn sie gefühlt einen halben Meter aus den Taschen ragen und jeder Taschendieb in Europa müde lächeln würde, bevor er diese Einladung annimmt, scheint es den meisten Japanern nicht in den Sinn zu kommen, wie einfach sie es für potentielle Langfinger machen. Zumal es in Japan durch das Menschengewimmel in den großen Städten für Diebe noch leichter wäre, unbemerkt zuzuschlagen und sofort unterzutauchen.

„Danke“, sagt der Taschendieb in Japan.

Ich musste auf jeden Fall schon oft grinsen, wenn mir auf der Straße die prall gefüllten Geldbörsen meiner vorderen Mitmenschen entgegenragten. Natürlich konnte ich den Drang widerstehen, einfach zuzugreifen, aber ich fragte mich jedes Mal, wie viele Taschendiebe aus dem Ausland wohl nach Japan kommen würden, wenn sie wüssten, dass sie hier so ein leichtes Spiel haben — ich hoffe, dass liest gerade keiner.

5.4 Tür? Wofür?

Ein weiteres Beispiel für eine gewisse japanische Gutgläubigkeit war auch der Fahrradschuppen meines Wohnheims. Man konnte von außen einfach in den Raum gehen, wo alle Fahrräder standen, da es keine Tür gab. On top waren die Fahrräder so gut wie nie abgeschlossen. Hätte ein Fahrraddieb gewusst, dass hinter der Hauswand so viele schöne Räder stehen, wären bestimmt einige abhanden gekommen.

Es gab zwar eine Kamera im Fahrradraum, aber gegen nächtliche Diebe würde sie auch nichts bringen. In Deutschland wären sicher alle Räder nach nur einer Nacht weg gewesen. Hierzulande werden ja sogar angekettete Räder aus abgeschlossenen Schuppen geklaut, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann. Aber Japan ist einfach anders. Und vor allem sicher!

6. Eure Erlebnisse mit Kriminalität in Japan?

Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr schon Erfahrungen mit Kriminalität in Japan gemacht? Mich würde sehr interessieren, ob ich einfach nur Pech hatte oder auch andere Japanreisende schon ähnliche Dinge erlebt haben.

Quellen:

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/japan-node/japansicherheit/213032#content_1

https://www.japanflog.de/telefonbetrug-in-japan/

https://sumikai.com/nachrichten-aus-japan/kriminalitaet-in-japan-auf-rekordtief-aber-kindesmissbrauch-nimmt-zu-267061/

https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%B6tungsrate_nach_L%C3%A4ndern

Bilder:

https://www.photo-ac.com/main/detail/2610346?title=%E7%8A%AF%E7%BD%AA%EF%BC%88%E7%99%BD%E6%96%87%E5%AD%97%EF%BC%89&searchId=126213503

https://www.photo-ac.com/main/detail/133750?title=%E3%82%B9%E3%83%AA1&searchId=126211036

https://www.photo-ac.com/main/detail/2082782?title=%E7%9B%A3%E8%A6%96%E3%82%AB%E3%83%A1%E3%83%A9%20%E9%A7%85%E3%83%93%E3%83%AB%E5%86%85&searchId=133994952

https://www.photo-ac.com/main/detail/1903877?title=%E6%A8%AA%E6%B5%9C%E9%A7%85%E6%9D%B1%E5%8F%A3%E3%81%AE%E5%9C%B0%E4%B8%8B%E8%A1%97&searchId=133994952

5 Antworten auf “Kriminalität in Japan – meine Erfahrungen”

    1. Danke für dein positives Feedback!

      Das sind natürlich nur meine persönlichen Erfahrungen, aber sie zeigen, dass auch in Japan das ein oder andere passieren kann. Aber auf jeden Fall habe ich mich in Japan stets sehr sicher gefühlt, was ich leider über Deutschland nicht so leicht sagen kann, obwohl es auch hier im Vergleich zu anderen Ländern sehr sicher ist.

      Viele Grüße

      Flo

  1. Hallo,
    das gruseligste was mir in Japan passiert ist war einmal ein, offensichtlich nicht ganz nüchterner, Herr in Osaka der unbedingt, und sehr aufdringlich, wissen wollt wie Zebrastreifen auf Englisch heißt, und schlicht nicht kapieren wollt das ich es nicht wusste.
    Das andere war ein besuch in der Anime Puppenabteilung eines Kaufhauses in Akihabara… aber das ist ne ganz andere Geschichte :-).
    Mich hat erstaunt das die Leute, z.B. bei MC Doof ihre Geldbörsen auf dem Tisch liegen lassen wenn sie zur Toilette gehen.

    1. Hallo Mike,

      danke für deinen Kommentar. Das mit dem betrunkenen Herrn klingt ja schräg, aber wenn man sich in Shinjuku/Shibuya nachts herumtreibt, wo die vielen betrunkenen Büroangestellten herumtorkeln, wird man nachher bestimmt auch viele Gruselgeschichten zu berichten haben^^
      Und in Akihabara gibt es auf jeden Fall so einige „gruselige“ Dinge, die man lieber nicht gesehen haben möchte;)

      Ich persönlich würde mich nicht trauen, in Japan bei McDonald’s oder auch irgendwo anders meine Geldbörse auf dem Tisch liegen zu lassen, aber es ist richtig, dass manche Japaner das machen, wenn sie kurz mal auf die Toilette gehen. Für Europäer grenzt das schon an eine Mutprobe…^^“

      Viele Grüße

      Flo

  2. „What is your mission?“

    „I am an exchange student from Germany and study here.“

    So einfach hätte es sein können. Und im Zweifel ein Sahnehäubchen obendrauf: „I am engaged in a project at Sony’s to help ‚em finally deliver the PS5 in sufficient quantity which they’ve failed to accomplish for over 12 months now.“

    ODER IM UMGANG MIT NATIONALISTEN NOCH BESSER:

    „speak fuckin‘ japanese when you talk to me, bonehead“

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